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Stelle 9

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Ich habe Probleme mit meinem Diktierprogramm.  Ich kann diktieren, aber nicht an meine Sekretärin verschicken.Die Zeit der Kassetten sind vorbei, kann man gut finden, muss man aber nicht.

Ich rufe um 9.30 Uhr bei der klinikeigenen EDV Hotline an. Es läuft ein Anrufbeantworter. Kurz vorher bin ich an der Cafeteria entlang gelaufen auf dem Weg zur Dialyse. Da drin saß an einem großen Tisch das fast komplette EDV Team und frühstückte.

“Alle Plätze sind besetzt. Bitte warten Sie oder schicken Sie uns eine Mail. “

Ich entschließe mich zu warten.

Endloses Gedüdel am anderen Ende. Halte mich an meinem Kaffee fest.

Dann sagt die Stimme plötzlich: “Sie sind an Stelle 10.”

Weiter endloses Gedüdel.

Stimme: “Sie sind an Stelle 9.

Gerade als ich beginne mit einer Hand doch eine Mail an die EDV Schnarchline zu schicken, höre ich ein Klicken:

“Müllermeierschmidt” knarzt mir eine Stimme ins Ohr.

Ich berichte ihm mein Problem.

Müllermeierschmidtratlos: ” Ja, da kenne ich mich nicht aus. “

War ja klar, das der Einzige, der keine Ahnung hat, am Telefon sitzt. Noch bin ich professionell nett.

“Da müssen Sie gleich noch mal anrufen.

“Kann mich ihr Spezialist nicht anrufen?” Ich müsste da noch ein paar Patienten behandeln.

“Nein, das geht nicht. Da müssen Sie eine Mail schreiben, dann können wir zurückrufen. Nur wenn wir ein Ticket ausstellen können wir Sie anrufen!

Überlege gerade. Ein Patient mit einem akuten Herzinfarkt.

Eine Stimme sagt: “Sie sind an Stelle 9. Nur wenn Sie eine Mail schreiben….”

:-)

 

 

 



Ggf.

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Abkürzungen sind in der Medizin gebräuchlich, manchmal sinnvoll, häufig nervig, selten  gefährlich. Diese Woche las ich in einem! Arztbrief diese Diagnosen.

1. HCA Pneumonie

2. Z.n.  GI-Blutung

3.  HWI 01/2013, Z.n. ACB-Operation (LIMA auf LAD,  RCA und RCX)

4. MRSA-Besiedlung

5. VHF, ggf. watchman device

6. Progrediente CNI, derzeit im Stadium G4A3 nach KDIGO eGFR nach MDRD aktuell 17ml/min/1,73m², GFR-Verlust von ca. 10ml/min/1,73m² pro Jahr

Dawirdmirschwindelig. Ggf.

 

 


Natürlich

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Unikliniken sind spezialisiert und speziell. Es gibt immer die neueste Studie der Woche.

“Wie, Sie haben noch nicht den 50seitigen Artikel über die RAAS Blockade und das Outcome bei nierentransplantierten blonden männlichen Meerschweinchen gelesen??  Stand doch gestern im New Oklahoma and Hawaii Journal for medicine and irreproducible results. “ Mit einer hochgezogenen Augenbraue.

Ich ziehe dann beide Augenbrauen hoch (eine kann ich nicht): “Natürlich habe ich das gelesen!”  Irgendeine Sau wird ja immer durchs Dorf getrieben.

Und es gibt immer das Wort der Woche.

Letzte Woche war es Ambit Pumpe. Ich dachte, dass hätte was mit dem Bergbau zu tun, Grundwasser abschlürfen oder so (typisch Ruhrgebietskind). War aber die neuste Schmerzpumpe auf Intensiv. Natürlich wusste ich das.

Natürlich wusste ich auch, das der Phosphatwert bei Herrn D auf Zimmer 5 sky high war. Letzte Woche hieß es noch erhöht.

Und eine Kontraktionsalkalose begegnet mir jeden Tag. Und natürlich kenne ich den Chair Rise Test.

Und dass man LABA und auch LAMA (nicht das mit dem Höcker) in der COPD Therapie einsetzt, das Natürlichste der Welt. Genau wie darmsensitive Integrinantikörper.

Aber das Natürlichste war heute folgender Spruch bei der Visite: ” Frau Doktor, ich kann wieder schei****. Bin wie neugeboren!”

 

 

 

 

 

 

 


Rache

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Gestern auf Chefvisite. Später Nachmittag, viele Besucher sind da. Denen man alles nochmal erklären muß, obwohl man es gestern schon Schwiegersohntocherundschwager erklärt hat. Und dabei noch nett sein, Kunden und so. Schnaub.

Zimmer 2: Im Bett eine Patientin mit unklarem Infekt. Davor auf dem Stuhl (Toilettenstuhl, ihhhh. Leute setzt auch nicht auf Stühle im Krankenhaus wo ein Eimer drunter hängt) sitzt der Sohn.

Er ist Mitte fünfzig, sein aufgedunsenes Gesicht ist rot wie eine Mon chèrie Packung , riecht nach drei Schachteln Zigaretten pro Tag seit zwanzig Jahren. Blutdruck geschätzt 230/120 mm Hg. Oh ha denke ich. Der liegt bestimmt in drei Wochen auf dem Coro Tisch. Nun ja.

Daneben steht seine Schwester, deofern, 150 Kilo, fast zahnlos,  mit drei Zetteln in der Hand.

Das wird dauern. Und richtig.

Sohn:Wassn mit meiner Mutter??”

Wir haben gestern mit dir gesprochen  Vollhorst. Aber nein, er will es nochmal vom Chef hören. Von mir aus.

Chef süßlich, freundlich (das heißt er ist genervt) erklärt das Krankheitsbild der Mutter ausführlich. Ich gucke aus dem Fenster, morgen ist Freitag, atme durch den Mund. Die Tochter will drei Zettel ausgefüllt haben für wasauchimmer. Dabei erzählt sie ihre Krankheitsgeschichte. Die niemand hören will. Ausführlich. Sie sei früher Chefarztsekretärin gewesen. Mein Chef zuckt leicht zusammen. Ich grinse. Wahrscheinlich stellt er sie sich gerade in seinem Vorzimmer vor.

Ich sage laut: “Wir suchen immer gute Sekretärinnen!”  

Chef bekommt einen spontanen Exophthalmus (d.h. ihm fallen die Augen raus). Er guckt mich fassungslos an. Ich tue so, als hätte ich nichts gesehen.

Wir lassen das endlose Geredeundgerede über uns ergehen. Haben ja nur noch gefühlte 100 Zimmer vor uns.

Endlich ist sie fertig. Und nun begeht mein Chef einen fatalen Fehler.

“Haben Sie noch Fragen?”

Neeiiiiiiiiiin Chef, schreie ich innerlich laut auf.

Vollhorst, der kurz auf dem Toilettenstuhl eingenickt ist (wahrscheinlich hat er noch ein Schlafapnoe Syndrom und schnarcht nachts, das die Wände wackeln), schreckt hoch: „Ja, kennse was Gutes gegen Kopfschmerzen?“

Weniger saufen und rauchen würde ich mal sagen.

Mein Chef sieht mich an und lächelt. Diabolisch. Oh ha denke ich.

“Da sprechen Sie mal mit Frau Doktor drüber. Die kennt sich da aus! Die ist Spezialistin für Kopfschmerz.”

Und er gleitet blitzschnell aus dem Zimmer. Lässt mich allein.

Rache.

 


Machmallauter- Brigitt – Da beisst ein Goldfisch an

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60er Jahre groove. Auch die konnten es schon.

Soundtrack von  “Vorsicht vor Leuten” (sehr zu empfehlen).  Ohrwurmgefahr. Ich bekomme das Pfeifen nicht mehr aus dem Kopf. Das kann nicht für den Rest meines Lebens mein Leben sein :-)


Machmallauter – Pocahontas – AnnenMayKantereit

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Er könnte das Alphabet singen und ich würde es feiern :-)


Erwachsen

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Ich bin eine erwachsene Frau. D. hat  letztes Jahr in London gearbeitet. Wir haben uns nur alle zwei Wochen gesehen. Wir sind erwachsen und  vernünftig. Polyglott. Urban. Arbeit ist wichtig.  Eine kurze Fernbeziehung  macht uns nichts. Ab und zu war ich in London, meistens ist D. nach Düsseldorf gekommen.  Er kam  dann müde vom gate mit dem letzten Flug Freitag Abend aus Heathrow. In der Hand jedes Mal eine Duty free Tüte. In dieser Tüte steckte immer ein britischer Teddy Bär. Ein Jahr hat 48 Wochenenden…

Nun schauen mich auf meiner Kommode im ersten Stock zahlreiche britische Bären stumm und ich meine auch etwas vorwurfsvoll an. Als hätte sie jemand aus ihrer gewohnten Terminal Umgebung gerissen. Einer trägt einen Schottenrock (mit nix drunter), der andere eine Beefeater Mütze, der nächste nur einen Schal um den mageren kaum sichtbaren Hals. Nebenbei Plüschteddys haben keinen Hals, der Kopf setzt direkt am Rumpf an, wusstet Ihr das? Der letzte besitzt einen Stoffdudelsack. Ein kleiner Bär trägt nur eine eng sitzende  Weste mit dem Union Jack drauf. Und schaut hochnäsig. Er ist der Speaker der Gruppe. Ich überlege, ob die Bären mich verstehen.  Wenn es kalt ist, decke ich sie zu. Als sie in der Plastiktüte waren, habe ich die Öffnung aufgemacht. Nicht, dass sie ersticken. Überlege, ob sie sich mit den deutschen Bären auskommen. Ob die Kommode nicht zu hart ist.

Ich bin erwachsen. Und rational.

 


Machmallauter – Macklemore & Ryan Lewis – Growing Up (Sloane’s Song) feat. Ed Sheeran


Wunsch

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Eine Frage, die uns am häufigsten im Krankenhaus gestellt wird, ist nicht: ” Frau Doktor, wie werde ich wieder gesund?” oder “Muß ich jetzt sterben?”

Nein, es ist: “Haben Sie mal ein Obstmesser? “.  Oder auch im wirhabenunsimmerschongekannt  Stil ” Habt Ihr mal ein Obstmesser?”.

Liebe Kunden, wozu brauchen Sie immer ein Obstmesser? Die besten Vitamine und Ballaststoffe stecken unter und in der Schale, weiß man ja.  Und soviel Vitamin C steckt in Orangen auch wieder nicht.

Gefolgt wird der Messerwunsch auch gerne von natürlich ohne  Guten Tag und Bitte: “Wo sind hier die Vasen?”.

Messer sind im Krankenhaus nicht so ganz ungefährlich. Delirante Patienten haben schon mal nachts Ihren friedlich schlummernden Bettnachbar mit einem klitzekleinen  Pittermesser in winzige Scheibchen schneiden wollen.

Und auch zierliche  Vasen wurden dazu benutzt, sie dem schnarchendem Zimmergenossen über den Schädel zu ziehen.

Also, Vorsicht, wenn Sie den Wunsch nach Messer oder Vase äußern: Er könnte in Erfüllung gehen…

 

 


Uniklinik

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Diese Woche war viel zu tun. Wie mein Chef zu sagen pflegt: “Frau Doktor, das ist eine Uniklinik!” Dabei zieht er spöttisch den Mundwinkel hoch. Nee, ist klar, als würden die anderen Kliniken nicht arbeiten.

Ich denke kurz an heute morgen. Ich habe eine geschlagene halbe Stunde nach einer Untersuchungsliege gesucht, um einen ambulanten Patienten zu untersuchen. Das ist Uniklinik.

Chef erzählt mir begeistert von Barorezeptorstimulation zur Behandlung von therapierefraktären Hypertonikern. Seine Augen funkeln.  “Das ist Uniklinik Frau Doktor!”  Ich gucke interessiert. Aus den Augenwinkeln sehe ich einen meiner dementen Patienten  über den Flur in Richtung Stationsküche wackeln. Ohne Hose. Das ist Uniklinik.

Chef hat ein neues Konzept für Bedside teaching.  “Wir sind halt Uniklinik, Frau Doktor, wir müssen den Studenten was bieten!”  Im Aufzug steht ein aufgeblasener PJ Student, dem die Welt gehört. Er erzählt großspurig über seinen ersten Dienst.  An seinen Lippen hängt eine großäugig aufschauende  Schwesternschülerin. Uniklinik.

Morgens schnappt mir in der Cafeteria ein pfeifender Bauarbeiter das letzte Käsebrötchen mit Gurke weg , zieht sich noch “eben” fünf Kaffee und zahlt mit Ein Cent Münzen.  Aaaargh Uniklinik.

Laut Liste des Controlling müsste ich den zeternden Parkinsonpatienten, der gestern gekommen ist und nicht bleiben möchte,  noch einen Tag hier behalten. Damit es keinen Abschlag von 200 Euro gibt. Uniklinik halt.

Grinsend schreibe ich den Entlassbrief. Für heute. Auf eigenen Wunsch. Meine Uniklinik halt.

 

 

 

 

 


Niedlich

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Montag. Muss ich noch was dazu sagen?  Stau auf der A40, nur Salamibrötchen in der Cafeteria, der Aufzug ist defekt, ich arbeite im 5. Stock, gefühlt im 7.

Rotköpfig biege ich mit letztem Schwung um die Ecke auf meine Station. Treffe natürlich prompt auf meinen ausgeruhten süffisant lächelnden Chef. Schläft er hier im Krankenhaus? Im Weiterlaufen höre ich aus Zimmer 12  die laute knatschende Stimme von Herrn M.: “Auf die jungen Leute kann man sich auch nicht mehr verlassen!!!” Hätte am liebsten auf dem Absatz umgedreht. Lieber Herr M. Man kann sich auf gewisse Menschen nicht verlassen, das hat nichts mit dem Alter zu tun.

Weiter geht’s.  Mein Assistenzarzt ruft mich an. Frau B. will heute nicht gehen. Sie weigert sich. Das habe man ihr nicht gesagt. Frau B., wir haben es Ihnen vor zwei, vor einer Woche, vor fünf Tagen gesagt. Frau B. mit Demenz klammert sich ans Bett. Das sei zu plötzlich. Ihr geht es nicht gut.  Die hilflose Nichte steht daneben. Gott sei Dank habe ich keinen Bettendruck. Gut, morgen nach dem Frühstück. Frau B. beruhigt sich. Ich mich auch.

Die erste Aufnahme. Alte Dame nach periprothetischer Fraktur mit Gamma Nagel.  Gestern operiert, heute zu uns verlegt. Daneben lauert schon die Tochter. Stachelige Haare in drei unterschiedlichen  Rottönen, schwarzrot, blondrot und blaurot, nerdige Brille.   Rothaarige Töchter mit Tagesfreizeit, das verheißt nichts Gutes. Und richtig.  Wir sind kaum drei Sekunden im Zimmer drin, schon regt sie sich auf. “Meine Mutter ist nicht fit. Letztes Mal war das aber anders!!   Und der Baulärm… Und das Zimmer… Und das Bett….” Liebe Stacheltochter: Ihre Mutter ist 91 und gestern operiert worden. Die letzte OP war vor 10 Jahren. Und für den Rest kann ich nix.

Ich bespreche mit meinem Assistenten die weiteren Neuaufnahmen. Jemand klopft herrisch an die Tür. Es sind Angehörige, die jetztundsofort Auskunft haben möchten. In zwanzig Minuten geht es erst.  Patientenversorgung geht vor. Sofort lautes Gezeter, Unverschämtheit ist noch das freundlichste  Wort, was wir hören.

Zeitgleich fängt heute eine Studentin an. Blass mit Sommersprossen und blondem Zopf. Schüchtern. Kittel gebügelt. Saubere Sneaker. Sie mag alte Menschen. Fragt sich bloß wie lange.  Sie hätten alle ihre Geschichte. Das fände sie so interessant.

Niedlich. Ich weiß gerade nicht, wann ich das letzte Mal niedlich war. Wahrscheinlich mit drei Monaten. Und es war bestimmt kein Montag:-)

 

 

 

 

 

 

 

 


Dreck

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D. und ich waren in B. Im Hotel wollen wir Steak essen.  Das Restaurant “Bad service” ist offen und leer. Wir haben Hunger. Wir setzen uns. An der Bar zwei Kellnerinnen. Sie polieren hingebungsvoll Gläser. Nun ja. Muss auch sein.

Wir warten. Noch sind wir entspannt. Urlaub. Aus den Augenwinkeln beobachte ich die Poliere. Sie polieren. Wir scheinen unsichtbar zu sein. Wir sind ja beide auch klein und zierlich und D´.s knallrote Haare übersieht man auch sehr gerne.

Ich merke, wie mein innerer Thermostat ansteigt. Ich knibbel an einem eingetrocknetem Wachsfleck auf dem Tischtuch. Doch jetzt tut sich was. Die Poliere haben ihre Tücher weg gelegt und sind kichernd durch einen Fransenvorhang verschwunden. Erinnert mich an Harry Potter. Das Kabinett mit den Kristallkugeln. Der Vorhang war dort die Pforte zum Tod. Mal gucken, ob die je wieder kommen.

 

Der Polier erscheint nach 10 Minuten. Läuft an uns vorbei. Mein inneres Ich schlägt jetzt mit dem Kriegsspeer auf unsichtbare Schilde.

Sogar D. mit seinem unterkühltem englischen Temperament schaut wütend. Er steht auf. Läuft im zackigen Militärschritt zur Bar. Kehrt mit der Kellnerin im Schlepptau zurück. Ihr Polo Shirt ist dreckig. Kein jetztebenerst passiert Dreck. Sondern alter eingetrockneter Dreck. Irgendwie habe ich keinen Hunger mehr.

Ende vom Lied: Es gibt keinen Koch. Kommt später.

“You can have a Pizza or Lasagne or something.”  Ich höre schon das Ping der Mikrowelle. Der alten Mikrowelle. Mit eingetrocknetem Dreck.

 

 

 

 

 


Rakete

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Heute auf Zimmer 5. 82 jährige Patientin mit schwerer Herzinsuffizienz. Sie sah vor zehn Tagen aus wie ein aufgeblasenes Michelin Männchen, brauchte Sauerstoff. Sie hat unter unserer Therapie neun Kilo abgenommen, die Beine sind schlank  Sie läuft wieder alleine über den Flur.

Wir sind ein bisschen stolz, dass es ihr wieder so gut geht. Aber das Michelin Männchen sieht das anders.

Chef: “ Wie geht es Ihnen?“

Patientin: „Ich kriege keinen Milchreis!“.

Das war nicht die Frage. Meine innere Rakete Stufe eins zündet.

Chef, professionell lächelnd: „Wir fragen die Servicemitarbeiter!“

Ich (das Milchreisthema höre ich seit einer Woche jeden jeden jeden Tag) : „Sie möchte lactosefreien Milchreis. Und das können wir nicht mal so eben beschaffen.“

Patientin spricht mault dazwischen: „Und lactosefreien Kakao! Zu Hause bekomme ich das immer!“  

Genau! Zu Hause! Und wo sind Sie hier? Richtig: Nicht zu Hause! Meine innere Rakete Stufe zwei macht sich auf den Weg.

Sämtliche Vorschläge, die wir machen: -Tochter soll Milchreis mitbringen (geht nicht, die muss arbeiten), -wir geben  Laluc und dann kann sie normalen Milchreis essen (vertrage ich nicht) zünden nicht. Dafür zündet meine Rakete Stufe drei.

Chef, jetzt mit einer hochgezogenen Augenbraue lächelnd: „Sind Sie nicht zufrieden mit unseren Hotelleistungen?“ Er betont das Wort Hotel, dem Michelinmännchen fällt es nicht auf.

„Nein, zu Hause kriege ich immer meinen lactosefreien  Milchreis!“

Ich gehe raus. Stufe vier. Deep Impact.

 

 


Vor der Tür

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Medizinische Terminologie ist ja nicht so leicht.

Heute auf Zimmer 20:  Herr M: „Ich hatte Magenschmerzen. Und da war ein Helikopter drin!!!“ Ich beiße mir auf Zunge.

Chef  (sein rechter Mundwinkel zuckt, ein bißchen jedenfalls): „Ja, ja die Helikopter sind wirklich schlimm!“

Wir gucken uns nicht an.  Gelacht wird immer erst vor der Tür.

Im nächsten Zimmer. Eigentlich ein Dauerbrenner.

Eine graulockige Dame versichert uns: „Ja,ja Frau Doktor ich war im Kernspint.“  Mit T am Ende. Wie ich das liebe. Wirklich.

Der nächste Patientin hatte „die Lunge im Wasser.“ Auch schön.

Der Sohn fragt nach, ob die Mutter noch ein Echolot bekommt. Ja klar.

Nach einer halbstündigen Aufklärung einer Patientin über eine eventuelle Magenresektion bei Magencarcinom:

Tochter (wahrscheinlich bunte Schüsslersalzverehrerin): „Muss man das wirklich wegnehmen das Stück? Das hat doch von der Natur aus einen Sinn da…“

Ich kriege gleich eine Herzinsolvenz. Draußen vor der Tür.

 

 

 

 

 

 

 

 


Machmallauter – Cage The Elephant – Ain’t No Rest for the Wicked


Mal eben

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Wir sind mit unserer Station umgezogen. Alles chic, frisch und modern.

Bis auf die Theke. Irgendein Ikeakatalogträger Innenarchitekt ist auf die Idee gekommen, das Schwesternzimmer (neudeutsch Pflegestützpunkt)  „offen“ zu gestalten. Das heißt, es gibt einen riesigen offenen Raum, der vorne eine Theke hat. Sieht aus wie eine Rezeption. Weil es so schön offen aussieht, bleiben Söhnetöchterenkel  natürlich davor stehen. Und es sitzt ja auch immer einer vorne, da die PC´s sich dort befinden. Und los geht´s.

„Kann ich mal eben einen Arzt sprechen?“ Haben wir doch erst gestern. „Ja, aber mir ist da noch was eingefallen. Die Stützstrümpfe…“

„Kann ich mal eben eine Flasche Wasser haben?“

Kann ich mal eben eine Flasche stilles Wasser haben?“

„Kann ich mal eben einen Kaffeeundteemitmilch haben?“

„Kann ich mal eben ein Messer, Schere, Licht, Vase wasauchimmer haben?“

„Kann ich mal eben ein Handtuchwaschlappencreme haben?“

„Kann ich mal eben mit dem Sozialdienst sprechen?“

„Kann ich mal eben mit der Pflegeüberleitung sprechen?“

„Kann ich nochmal eben mit dem Sozialdienst sprechen?“

„Ich habe eben mit der Sozialarbeiterin gesprochen, mir ist da noch was eingefallen. Kannichnochmaleben…??“

Durchgehend. Dazu natürlich die normale Stationsarbeit. Mit Telefonaten, drucken, anmelden, Übergaben, Medikamente stellen,  Besprechungen.  Nebenbei hat irgendein Idiot Sicherheitsbeauftragter die Schelle auf das Telefon umgestellt. Mit dem Ergebnis: Immer wenn ein Patient schellt, klingelt jetzt das Telefon. Alles in einem Raum.

So, ich setze jetzt den Innenarchitekt nach vorne an die Theke. Mal eben. Und renne schnell weg.

 

 

 

 


Willkommen

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Wir haben zwei Stationen. Eine teilen wir uns  mit den Strahlentherapeuten, den Urologen, Onkologen und den  Irgendwaslogen. Keine gute Idee. War jedem vorher klar. Nur der Geschäftsführung nicht.

Es kam, wie es kommen musste.

Der Assistenzarzt der Strahlentherapeuten ruft mich an. „Können Sie ihre Patienten weglegen? Die liegen in unseren Betten!“

Nö, kann ich nicht. „Die“ sind krank.

Der Oberarzt der Strahlentherapeuten ruft mich an. Verstehe nur die Hälfte, stehe neben einer Baustelle im Flur.

Einige Wortfetzen mit „Unverschämtheit“, „Betten klauen“, „wo lege ich meine Aufnahmen hin“ verstehe ich doch. Er hätte 40 Minuten nach einem Bett telefoniert.  Ja Herr Kollege, willkommen im echten Leben!  Ich erinnere mich an mein letztes Bettentelefonat.

Auf der Suche nach einem Bett für einen MRSA, VRE Patienten:

Auf Station 4 erspähe ich in der EDV  Übersicht ein freies Bett.  Rufe dort an. Schwester U.: „Nein, das müssen Sie mit den Urologen besprechen.“  Ich rufe den Urologen an, der steht am Tisch. Rufe den Diensthabenden an, der kann nix entscheiden. Rufe den anderen Oberarzt an, der meint, ich sollte es mit den Kardiologen besprechen. Sei ein kardiologisches Bett. Rufe den Kardiologen an, der ist in der Koro. Rufe den zweiten Oberarzt an. Besteche ihn mit einer Tüte Lakritz. Die mag er nicht. Lieber Schokolade Frau Kollegin!

Bekomme ein Bett nach dreimaligem Kniefall. „Aber Morgen Frau Kollegin, da brauche ich das Bett wieder!“  Morgen ist ein neuer Tag, neues Spiel neues Glück. Dauer: 50 Minuten.

Willkommen im echten Leben!

 

 


Es reicht

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Heute stand die erste Tochter schon um acht auf der Matte. Mal eben sprechen. In Zimmer 5 gibt es zwei struppige Töchter, die rund um die Uhr bei Mutti sitzen. Da ist nichts gegen einzuwenden. Aber rund um die Uhr einen Arzt sprechen zu wollen. Waren die Therapeuten heute schon da? Wenn ja, was haben die gemacht? Was ist das für eine neue weiße Tablette? Mutti soll noch eben zum Frauen/HNO/Augenarzt. Wieso ist der Urin so dunkel? Wieso ist die Erde eine Scheibe? Ich frage mich immer, ob die nix zu tun haben. Keinen Haushalt? Mal zu Hause feucht durchwischen? Keinen Mann? Keine Hobbies? Keine Kinder? Keinen Job? Keine Bügelwäsche?

Da gibt es noch den Sohn von Frau S.: Frau S. hat Pflegestufe 3, wird jeden Tag dialysiert. Und soll hier zur „Reha“. Was bei der Pflegestufe nicht wirklich Sinn macht. Der Sohn hockt den ganzen Tag neben dem Bett. Und lässt die Pflege springen. Hier mal das Laken glatt ziehen, drehen, wenden, schütteln, der DK sieht so komisch aus, wieso ist das Pflaster feucht usw. usw. Letztes Mal hat er uns Fotos gezeigt, die er mit seinem Smartphone von Mutti gemacht hat. Die Beine seien so trocken. Ob wir das nicht sehen würden? Ihm reicht es hier nicht.

Gerade kommt Schwester Heike verschwitzt aus Zimmer 3. Darin liegt eine Privatpatientin. Heike war heute eine Stunde in diesem Zimmer. Zum Waschen. Die Patientin ist sehr bestimmend. Duschen wollte sie nicht, der Kreislauf… Erst das Gesicht, dann den linken Arm, den rechten Arm. Mit der Creme das Gesicht, mit der Salbe das rechte Bein, mit der Lotion den Rücken, aber auch nur den Rücken. Dafür das gelbe, dafür das rosa Handtuch, das blaue nur dafür. Und die Füße mit dem Balsam. Nein, nicht mit dem, mit dem anderen aus der Tube!  Nach einer Stunde war Heike endlich fertig.

Da sagt die Patientin:“Ach, können Sie mir noch eben die Haare waschen?“

Der Sohn beschwert sich bei der Entlassung, dass die Schwestern die Jacke so knubbelig in den Koffer gepackt hätten. Und überhaupt, so würde er die Mutter nicht mit nach Hause nehmen. Sei ja noch gar nicht fit. In zwei Wochen haben zwei Sozialarbeiter und zwei Mitarbeiter vom Entlassungsmanagement mit ihm gesprochen. Es ist alles organisiert, Bett, Hilfsmittel, Pflegedienst für zu Hause. Pflegheim war ihm zu teuer. Kurz bevor der Transport kommt, entscheidet er sich wieder um. Sie müsse doch ins Heim.  Es habe nie jemand mit ihm gesprochen. Es hat ihm nicht gereicht.

Aber uns reicht es.

 

 

 

 

 


Verfügung

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Sterben in Deutschland ist ja nicht so einfach wie es mal war.  Ohne Zettel und Verfügung geht nix. Eine 98jährige Patientin  auf meiner Station macht sich nun endgültig auf in die ewigen Jagdgründe. Es ist absehbar und auch in Ordnung. Ein langes, wie ich meine, zufriedenes Leben geht zu Ende. Sie hat bis zuletzt zu Hause gewohnt und hat jetzt einen Herzinfarkt, den sie nicht überleben wird.

Aber nein! Sie hat keine Patientenverfügung.  Der Sohn weiß nicht, was Mutti sich gewünscht hat. Die Tochter kann sich nicht verabschieden. Wir sollen alles machen. Coro, Intubation, Beatmung, Reanimation, Dialyse. Das ganze große Programm.  Es würgt mich. Ich wette, wenn ich nicht alles mache, wird sie mit dem Rechtsanwalt  im Galopp kommen. Zähneknirschend verlege  ich sie zu den Kardiologen. Nach drei Tagen werde ich zu einem neurologischen Konsil auf die Intensivstation gerufen.  Im Nebenbett  sehe ich meine Frau L. dort liegen, nach der Coro. hat sie jetzt einen Schlaganfall. Intubiert, beatmet, aufgequollen wie ein Michelinmännchen, Dialyse läuft auch schon.

Hier meine Verfügung: Wenn ich absehbar todkrank bin, setzt mich auf ein Floß und lasst mich ins Meer treiben. Danke!

 


Wer bin ich?

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Gestern auf der urologischen Kontinenzfortbildung:

„Sind Sie der Schließmuskel??“

„Nein, ich bin der Beckenboden!“ 

Es ist alles gesagt🙂

 

 


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